Experten im Interview
Tipps von Psychologinnen: Optimistisch bleiben trotz Corona
Kärnten – Das Jahr 2020 hat von uns allen schon viel abverlangt. Die Coronakrise verstärkt vielfach Ängste, fördert Depressionen und vermittelt durch die zahlreichen Maßnahmen ein Gefühl der Fremdbestimmtheit. Der zweite Lockdown fällt nun auch noch in die kalte Jahreszeit mit kurzen Tagen, schlechtem Wetter und Lichtmangel. Eine Kombination, die für die Psyche eine große Herausforderung darstellt.
Von Christine Jeremias. Die klinischen Psychologinnen Elisabeth Franz-Stangl und Manuela Germ verraten und einige Tipps wie man trotz allem optimistisch durch diese belastenden Wochen kommt.
Wie kann man sich selber helfen?
Wir sind es gewohnt, all unsere Bedürfnisse mehr oder weniger jederzeit stillen zu können: ins Kaffeehaus gehen, Freunde treffen, ein schönes Abendessen auswärts, ein Friseurbesuch. Dinge, die für uns selbstverständlich sind, fallen auf einmal weg. Jetzt gilt es, nicht etwas nachzutrauern, das im Moment nicht möglich ist. Vielmehr ist Selbstreflexion gefragt: Was gibt es, das mir guttut? Was brauche ich, um mich wohl zu fühlen? Wer sein Augenmerk, darauf richtet, in „seiner Mitte“ zu bleiben, bietet Zukunftsängsten weniger Chancen. Dabei helfen können einem unterschiedliche Dinge: die Zubereitung eines gesunden Essens, eine Tageslichtlampe, vielleicht ein neues Hobby ausprobieren, wie Malen, Modellbau, Kochen usw. Besonders effektiv ist Bewegung an der frischen Luft. Bei einem ausgedehnten Spaziergang kann genügend Tageslicht getankt werden und so die Produktion des körpereigenen Glückshormons Serotonin unterstützt werden.
Sollte ich meinen Tagesablauf ändern?
Home-Office und Distance Learning bedeuten auch, dass man seinen Entspannungs- und Rückzugsort mit Arbeitsplatz und Schule teilen muss. Daher ist es besonders wichtig, feste Strukturen zu schaffen. Idealerweise erstellt man am Wochenende einen Plan für die kommende Woche mit fixen Zeiten für Arbeit, Schulaufgaben etc. Sind alle Termine eingetragen, kann man sich für die verbleibende freie Zeit, kleine „Belohnungen“ eintragen: entspannt lesen, virtuell Kaffee trinken mit Freunden, einen besonderen Film schauen.
Wie soll ich Corona “positiv” sehen?
Es mag zunächst banal klingen, doch sollte man sich ganz bewusst überlegen, was der Lockdown vielleicht positives mit sich bringt. Spare ich Geld, weil ich weniger auswärts essen gehe? Habe ich endlich Zeit, mich mit Projekten zu beschäftigen, die ich schon lange vor mir herschiebe? Wollte ich schon länger etwas in meinem Leben ändern? Jetzt wäre Zeit, Prioritäten zu überdenken und neu zu setzen.
Sollte ich mich über Corona informieren?
Auch wenn Covid-19 unseren Alltag dominiert und wir ständig mit Nachrichten dazu konfrontiert werden, sollte man sich auf positive Gedanken fokussieren. Informationen sind wichtig, geben sie doch Sicherheit, dennoch Corona-Krise können aber Ängste verstärken und die Stimmung zusätzlich verschlechtern. Daher ist es wichtig, bewusst auf seinen Medienkonsum zu achten und sich von Schwarzmalern und Panikmachern fernzuhalten. Ständigen Grübeleien und Gedankenreisen kann man ein Ende setzen, indem man sich inspirierenden oder kreativen Tätigkeiten widmet, wie dem Gestalten eines Adventkranzes oder dem bewussten Hören eines Musikstücks. Auch Bewegung im Freien kann Abhilfe schaffen.
Wie soll ich das mit meiner Familie schaffen?
Eine besondere Herausforderung für Eltern ist es, neben Home-Office und anderen Sorgen, die Betreuung der Kinder und das Distance Learning zu schaffen. Trotz aller Belastungen einen wertschätzenden Umgang miteinander zu pflegen, ist ausschlaggebend für ein harmonisches Familienleben. Kinder spüren genau, wenn es den Eltern nicht gut geht und suchen die Schuld häufig bei sich. Eine ehrliche Kommunikation ist hilfreich: Man kann den Kindern erklären, warum man gestresst, ängstlich oder gereizt ist. Wenn man zwischendurch den Alltag beiseiteschieben kann und mit seinen Kindern eine kleine Auszeit – beispielsweise mit Basteln, Lesen oder einer Fantasiereise – verbringt, wird es leichter, durch diese herausfordernden Wochen zu kommen.
Was, wenn ich nicht mehr weiter weiß?
Wenn man trotz aller Bemühungen merkt, dass man in eine immer schlechtere Stimmung gerät, empfiehlt es sich ein Stimmungstagebuch zu führen, in dem Symptome wie Niedergeschlagenheit, Lustlosigkeit, Aggressionen oder auch Schlaflosigkeit vermerkt werden. Wenn diese länger als zwei Wochen anhalten, sollte man zur genaueren Abklärung einen Arzt aufsuchen.